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Inke Hummel: Wie finden wir Klarheit in der Erziehung?

Wie klare Regeln und offene Kommunikation Kindern Sicherheit geben

Es gibt eine weitverbreitete Vorstellung, dass moderne Erziehung in einem Meer aus Nachgiebigkeit und Grenzenlosigkeit versinkt. „Kinder können machen, was sie wollen“, heißt es dann oft. Doch stimmt das wirklich? Oder ist das nur eine populistische Erklärung für ein viel komplexeres Problem?

Die Erziehungsberaterin und Autorin Inke Hummel hat sich intensiv mit den Fragen von Autorität, Klarheit und Bindung in der Familie beschäftigt. Sie begegnet in ihrer Arbeit vielen Eltern, die vor der Herausforderung stehen, ihren Kindern Struktur zu geben, ohne in starre Muster zu verfallen. „Viele haben Angst, ihrem Kind etwas anzutun, wenn sie klare Grenzen setzen“, sagt sie. Dabei sei genau das notwendig: „Kinder haben einen anderen Reifegrad als Erwachsene. Sie brauchen den Konflikt manchmal, um Orientierung zu finden.“

Grenzen ziehen, ohne sich selbst zu verlieren

Ein immer wiederkehrendes Thema ist das Setzen von Grenzen. Viele Eltern erleben, dass Regeln ständig neu verhandelt werden, dass Diskussionen sich im Kreis drehen. „Das ist normal“, sagt Hummel. „Aber wenn ein Thema zum Dauerbrenner wird, dann lohnt es sich, innezuhalten und gemeinsam mit dem Kind eine Regel zu finden, die für beide Seiten tragfähig ist.“ Besonders hilfreich sei es, auch für Ausnahmen feste Rahmenbedingungen zu definieren, um ständige Konflikte zu vermeiden.

Fehler gehören zur Erziehung dazu. Wichtig ist, sich bewusst zu machen, was schiefgelaufen ist, und offen mit dem Kind darüber zu sprechen.

Doch was, wenn Eltern selbst an ihre Grenzen geraten? „Niemand ist perfekt“, betont Hummel. „Wenn mir der Geduldsfaden reißt, dann ist es wichtig, im Nachhinein darüber zu sprechen. Eltern sollten sich ehrlich zeigen und ihren Kindern vermitteln, dass auch sie Fehler machen.“ Dieses Eingeständnis stärke die Beziehung und verhindere, dass Kinder Schuldgefühle für die elterliche Überforderung entwickeln.

Die Herausforderung der Pubertät

Kaum hat man sich als Elternteil in der Rolle gefunden, folgt die nächste Herausforderung: die Pubertät. Plötzlich funktionieren lang etablierte Regeln nicht mehr, Gespräche verlaufen ins Leere, Grenzen werden immer wieder ausgetestet. „Wir haben es mit einem neuen Gegenüber zu tun“, erklärt Hummel. „Plötzlich sind Jugendliche nur noch halb Kind und halb erwachsen.“

Wichtig sei es, nicht in Panik zu verfallen. „Wenn Eltern das Gefühl haben, ihr Kind entgleitet ihnen, dann hilft es oft, die eigene Unsicherheit offen zu thematisieren. Jugendliche reagieren oft positiver darauf, als man denkt.“ Statt mit Druck und Kontrolle zu reagieren, sei es entscheidend, auf Augenhöhe zu bleiben und zuzuhören.

Vom „Müssen“ zum „Wollen“

Ein weiteres Problem vieler Eltern ist die Überforderung. Der Wunsch, alles richtig zu machen, wird oft zur Last. Das führt nicht selten zu einem Gefühl des „Funktionierens“, bei dem der eigentliche Wunsch, Eltern zu sein, in den Hintergrund tritt. „Viele Eltern gestehen sich kaum ein, dass sie manchmal einfach nicht mehr können“, sagt Hummel. „Doch das ist ein entscheidender Punkt: Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.“

Ihr Rat: Erziehung sollte nicht von äußeren Erwartungen dominiert werden. „Nicht jede Familie muss funktionieren wie die Nachbarn oder wie es Instagram suggeriert“, sagt sie. „Was Eltern brauchen, ist ein Bewusstsein für ihre eigenen Bedürfnisse und die ihrer Kinder. Erst dann kann Erziehung wirklich gelingen.“

Im Gespräch mit Inke Hummel wird deutlich, wie groß die Herausforderungen moderner Elternschaft sind. Doch sie zeigt auch Wege auf, wie Eltern Klarheit und Struktur in ihre Erziehung bringen können, ohne sich selbst zu verlieren. Es geht nicht darum, ein idealisiertes Bild von Elternschaft zu erfüllen, sondern einen Weg zu finden, der sowohl Eltern als auch Kindern gerecht wird.

Fotoquelle: Nat Hummel, Bonn

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