Fachkräfte wie Lehrer, Sozialarbeiter und Therapeuten stehen oft an vorderster Front, wenn es darum geht, traumatisierte Kinder zu unterstützen. Dabei ist es unvermeidlich, dass sie durch den intensiven Kontakt mit den traumatischen Erlebnissen der Kinder emotional belastet werden. Dies kann zu einer sekundären Traumatisierung führen – einer Form von emotionalem Stress, die entsteht, wenn man die traumatischen Geschichten anderer miterlebt. In diesem Artikel erfahren Sie, was sekundäre Traumatisierung ist, welche Anzeichen darauf hinweisen und wie Fachkräfte sich schützen und wiederherstellen können.
Was ist sekundäre Traumatisierung? Eine Definition
Sekundäre Traumatisierung, auch als “indirektes Trauma” bezeichnet, tritt auf, wenn Fachkräfte durch die Arbeit mit traumatisierten Personen selbst emotionale Belastungen erleben. Im Gegensatz zu einer direkten Traumatisierung, bei der jemand selbst ein traumatisches Ereignis erlebt, geschieht sekundäre Traumatisierung durch das ständige Hören von traumatischen Geschichten und die emotionale Verbindung zu den Betroffenen.
Fachkräfte, die mit traumatisierten Kindern arbeiten, erleben häufig deren schmerzhafte Erfahrungen mit und übernehmen teilweise deren Stress und emotionalen Schmerz. Dies kann zu einer tiefen emotionalen Erschöpfung führen, die langfristig psychische und körperliche Symptome hervorruft.
Wie Fachkräfte durch ihre Arbeit emotional belastet werden
Fachkräfte, die sich um traumatisierte Kinder kümmern, sind oft tief in die Geschichten dieser Kinder involviert. Sie erleben hautnah mit, wie Kinder, die Missbrauch, Gewalt oder Vernachlässigung erlebt haben, emotional leiden. Diese ständige Auseinandersetzung mit Trauma kann überwältigend werden und unbewusst das eigene psychische Wohlbefinden beeinflussen.
Gründe für emotionale Belastung bei Fachkräften:
- Empathie und Mitgefühl: Fachkräfte entwickeln oft eine starke emotionale Bindung zu den Kindern, die sie betreuen, was zu Mitgefühlserschöpfung führen kann.
- Schwere der Traumata: Das ständige Hören von Geschichten über Missbrauch, Gewalt und Vernachlässigung kann die psychische Belastbarkeit verringern und negative Auswirkungen auf die eigene emotionale Gesundheit haben.
- Gefühl der Hilflosigkeit: Fachkräfte fühlen sich oft überfordert, wenn sie den Kindern nicht ausreichend helfen können oder mit systemischen Barrieren kämpfen, die den Heilungsprozess verzögern.
Warnsignale für sekundäre Traumatisierung
Sekundäre Traumatisierung kann schleichend einsetzen, sodass Fachkräfte die Warnsignale möglicherweise erst spät erkennen. Es ist jedoch wichtig, diese Anzeichen zu kennen, um frühzeitig präventive Maßnahmen zu ergreifen.
Typische Warnsignale für sekundäre Traumatisierung:
- Emotionale Erschöpfung: Ständige Müdigkeit, Erschöpfung und das Gefühl, keine Energie mehr zu haben, sind häufige Anzeichen.
- Negative Einstellung zur Arbeit: Fachkräfte, die sekundär traumatisiert sind, verlieren oft ihre Motivation und Freude an der Arbeit und fühlen sich distanziert von den Kindern, denen sie helfen wollen.
- Wiedererleben der traumatischen Geschichten: Manche Fachkräfte haben Albträume oder intrusive Gedanken, bei denen sie die Erlebnisse der Kinder, mit denen sie arbeiten, wieder durchleben.
- Körperliche Symptome: Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenbeschwerden und ein geschwächtes Immunsystem können ebenfalls auf eine sekundäre Traumatisierung hinweisen.
Strategien zur Prävention und Bewältigung
Um einer sekundären Traumatisierung vorzubeugen oder diese zu bewältigen, ist es wichtig, gezielte Strategien zur Selbstfürsorge und emotionalen Abgrenzung zu entwickeln. Die richtige Unterstützung und Selbstreflexion kann Fachkräften helfen, ihre Arbeit langfristig gesund und nachhaltig auszuüben.
Effektive Strategien zur Prävention und Bewältigung:
- Emotionale Abgrenzung lernen: Fachkräfte sollten lernen, emotionale Distanz zu wahren, um sich nicht zu stark mit den traumatischen Erlebnissen der Kinder zu identifizieren. Professionelle Supervision oder Therapie kann hierbei helfen.
- Selbstfürsorge priorisieren: Regelmäßige Pausen, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung und körperliche Bewegung sind essenziell, um den emotionalen Belastungen entgegenzuwirken.
- Kollegiale Unterstützung: Der Austausch mit Kollegen, die ähnliche Erfahrungen machen, kann entlastend wirken. Regelmäßige Teammeetings und Supervisionen bieten Raum, um Emotionen zu teilen und Lösungen zu finden.
- Achtsamkeit und Entspannungstechniken: Techniken wie Achtsamkeitstraining, Meditation oder Yoga können helfen, Stress abzubauen und innere Ruhe zu finden.
Rolle von Selbstfürsorge und professioneller Unterstützung
Selbstfürsorge ist ein entscheidender Faktor, um sekundärer Traumatisierung vorzubeugen. Es ist wichtig, dass Fachkräfte auf ihre eigenen emotionalen Bedürfnisse achten und nicht zögern, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn sie merken, dass sie die Belastung nicht mehr alleine bewältigen können.
Wie Selbstfürsorge und professionelle Unterstützung helfen können:
- Regelmäßige Selbstreflexion: Fachkräfte sollten sich regelmäßig Zeit nehmen, um ihre eigenen emotionalen Zustände zu reflektieren und zu erkennen, wann sie Unterstützung benötigen.
- Supervision und Coaching: Professionelle Begleitung durch Supervision oder Coaching kann dabei helfen, eigene emotionale Belastungen besser zu verarbeiten und Lösungsansätze zu finden.
- Balance zwischen Arbeit und Privatleben: Es ist wichtig, eine klare Trennung zwischen Beruf und Privatleben zu schaffen, um emotionale Überlastungen zu vermeiden.
- Netzwerk aufbauen: Fachkräfte sollten ein unterstützendes soziales Netzwerk aufbauen, das ihnen bei emotionalen Herausforderungen zur Seite steht.
Was bedeutet das?
Sekundäre Traumatisierung ist ein ernstes Problem, das viele Fachkräfte betrifft, die mit traumatisierten Kindern arbeiten. Das Verständnis für die eigenen emotionalen Grenzen, der Aufbau von Selbstfürsorge-Strategien und das Erkennen von Warnsignalen sind entscheidend, um langfristig in der Lage zu sein, diese anspruchsvolle Arbeit auszuüben. Fachkräfte sollten nicht zögern, professionelle Unterstützung in Anspruch zu nehmen, wenn sie merken, dass die Belastung zu groß wird. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit, um weiterhin effektiv helfen zu können.